Federico Garcia Lorca - Bernarda Albas Haus

Nach dem Tode ihres zweiten Mannes verhängt Bernarda Alba eine achtjährige Trauerzeit über ihre fünf erwachsenen Töchter. Lediglich der Ältesten aus erster Ehe, Angustias, als einzige durch ihres Vaters Tod begütert, gestattet sie die Verlobung mit dem gut aussehenden, 14 Jahre jüngeren Pepe el Romano. Zwischen den Schwestern brechen Neid, Eifersucht und Missgunst aus. Pepe stillt insgeheim, Bernarda täuschend, seine Lust an Adela, der jüngsten und schönsten der Albatöchter, die sich ihm, trotz ständiger Angst vor Entdeckung, leidenschaftlich hingibt.

Adela: »Ich halte das Grauen unter diesem Dach nicht mehr aus, nachdem ich den Geschmack seines Mundes gekostet habe. Ich werde sein, was er will. Das ganze Dorf gegen mich, und mich mit ihren feurigen Fingern verbrennend, verfolgt von denen, die behaupten, ehrbar zu sein, und ich werde mir die Dornenkrone derer aufsetzen, die die Geliebten irgendeines verheirateten Mannes sind.«

Ihre Schwester Martirio, deren einziger Bewerber, nicht standesgemäß, von der Mutter einst abgewiesen wurde, wird zu Adelas ärgster Feindin, denn auch sie liebt Pepe – unerwidert. La Poncia, die langjährige Magd und Vertraute der Familie, versucht, die Konflikte unter den Schwestern zu entschärfen und Bernardas Herrschsucht zu besänftigen.

Die vom Familiendünkel verblendete Mutter verschließt die Augen vor dem nahenden Unheil und nimmt, aus Furcht vor dem Gerede der Nachbarn, ihre Töchter noch härter an die Kandare. Die geistesgestörte, aber hellseherische Großmutter Maria Josefa wird von der drakonischen Witwe hinter Schloss und Riegel gesperrt. In Bernardas Reaktion auf die Schilderung einer gesteinigten, ledigen Kindsmörderin offenbart sich ihre unmenschliche Härte.

Die hässliche Martirio lauert Adela auf, offenbart ihre eigene Liebe zu Pepe, fordert von ihrer Rivalin Verzicht und schreit die Mutter wach. Vor der ganzen Familie bekennt sich Adela zu ihrer bedingungslosen Liebe zu Pepe, ungeachtet aller moralischen Konventionen. Bernarda greift zur Flinte, schießt, aber der Eindringling entflieht. Martirio täuscht den Tod des Geliebten vor, woraufhin sich die verzweifelte Adela erhängt. Um die Familienehre zu retten, befiehlt Bernarda die jungfräuliche Aufbahrung ihrer jüngsten Tochter und allen absolutes Schweigen. Die schöne Fassade der Scheinmoral bleibt gewahrt.

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Federico García Lorca wurde am 5. Juni 1898 als Sohn eines Großgrundbesitzers und einer Lehrerin in Fuente Vaqueros geboren. Er studierte Philosophie, Literatur und Jura in Granada, Madrid und New York. Er hatte Musikunterricht bei Manuel de Falla und war mit der künstlerischen Avantgarde seiner Zeit, u. a. Pablo Neruda und Salvador Dalí, befreundet. 1931 gründete und leitete er die Studentenbühne »La Barraca«, die mit einem klassischen Repertoire durch die spanischen Provinzen zog und auch seine eigenen Stücke spielte: Mariana Pineda, Die wundersame Schustersfrau, In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa, Bluthochzeit, Yerma, Doña Rosita bleibt ledig und Bernarda Albas Haus. Während des spanischen Bürgerkrieges war er Mitbegründer des »Bundes antifaschistischer Intellektueller«, weil er ein Mann freiheitlich unabgdingbaren Gerechtigkeitssinnes war. Vielseitig begabt illustrierte er seine Gedichtbände und komponierte die Musik zu einigen seiner Stücke. 1936 wurde er von der »Guardia Civil« in Granada verhaftet, von der »Falange Española« ohne Urteil erschossen und in einem unbekannten Massengrab verscharrt, obgleich er keiner Partei angehörte und sich nirgends gegen die Diktatur betätigt hatte.

Anmerkungen über den Text

Bernardas Albas Haus (La casa de Bernarda Alba) wurde am 8. März 1945 in Buenos Aires von Margarita Xirgu nach langwierigen Verhandlungen zwischen ihr und der Familie des Dichters uraufgeführt.

Das Stück wurde vom Verlag Losada nach einer von der Schauspielerin Margarita Xirgu ausgehändigten Abschrift im März 1945 zum ersten Mal veröffentlicht. Obwohl der Text vom argentinischen Verleger als »die einzige authentische Kopie des Manuskripts von Bernarda Albas Haus« vorgestellt wurde, weist er in Wirklichkeit sehr viele Fehler auf. Er wurde in allen aufeinanderfolgenden Ausgaben – Losada, Aguilar usw. – sowie in allen Übersetzungen reproduziert und bis 1981 benutzt. In jenem Jahr erstellte Mario Hernandez auf der Grundlage des Originalmanuskriptes, das sich in Besitz der Familie des Dichters befand, die erste originalgetreue Fassung des Dramas beim Verlag Alianza Editorial in Madrid.

Das Originalmanuskript, das sich im Besitz von Lorcas Bruder Francisco befindet, besteht aus 76 Blättern im Format 17 × 13 cm. Die saubere Handschrift Lorcas – er schrieb mit Tinte – und die kleine Anzahl von Streichungen weisen anscheinend darauf hin, dass es den letzten Stand des Werkes liefert. Die erste Seite, die die meisten Korrekturen trägt, stammt vermutlich aus einem verschollenen Entwurf. Das Ganze bildet sicherlich nicht die endgültige Fassung – Lorca hätte es überarbeitet, wenn er an den Proben teilgenommen hätte –, kommt ihr aber bestimmt sehr nahe, denn der Autor hatte davon zahlreiche Lesungen gehalten. Bergamin behauptete jedoch in einem Interview, das am 23. März 1976 in Sábado Gráfico erschien: »[Das Stück] war nach seinem Geschmack nicht vollendet. Er bat mich […], an einer Lesung nicht teilzunehmen […] er beabsichtigte, [die beiden letzten Akte] neu zu schreiben oder zu ändern«.